Das Leben als Spiel

Kann ich mich ändern?

Manchmal träume ich davon, ich könnte mein bisheriges Leben wie ein verkleckstes Blatt Papier zerknüllen und noch einmal von vorne beginnen. Dann wäre alles, was ich bisher gedacht, gesagt und getan habe, so etwas wie ein Entwurf, und ich könnte nun mit der Reinschrift beginnen. Ich könnte alle Fehler, die ich bisher begangen habe, rückgängig machen und ein wahrhaft glückliches, sinnerfülltes Leben führen. Davon träume ich manchmal.

Doch würde ich wirklich alles ganz anders machen? Auf diese Frage antwortet der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991) in seinem Theaterstück "Biografie. Ein Spiel", das am 1. Februar 1968 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt worden ist.

In diesem Stück, das von Max Frisch als "Komödie" bezeichnet wird, erhält der todkranke Verhaltensforscher Hannes Kürmann von einem als "Registrator" bezeichneten Spielleiter die Möglichkeit, sein Leben noch einmal von vorne zu beginnen und seine größten Fehler zu korrigieren. Doch er nützt diese Chance nicht.

Der kleine Hannes formt noch einmal den Schneeball, obwohl er weiß, dass dieser Ball seinem Schulfreund ein Auge kosten wird. Als junger Mann verlässt er wieder seine Jugendliebe Helen und heiratet seine Frau Antoinette, obwohl er weiß, dass diese Ehe nach sieben Jahren hoffnungslos zerrüttet sein wird.

Da sich Hannes jedoch sehnlichst eine "Biografie ohne Antoinette" wünscht, lässt ihn der Registrator – wie in einer Warteschleife - immer wieder den Abend ihrer ersten Begegnung durchleben. Doch egal wie das Treffen verläuft, er entscheidet sich immer wieder für Antoinette.

Schließlich wendet sich der Registrator Antoinette zu und macht ihr ebenfalls das Angebot, ihre Biografie zu verändern. Noch einmal kehren die beiden zum Abend der ersten Begegnung zurück. Doch im Gegensatz zu ihm verlässt sie ihn sofort. Daraufhin erklärt der Registrator, Hannes sei nun frei und habe noch sieben Jahre zu leben.

Max Frisch hat sich immer gegen eine fatalistische Deutung dieses Theaterstücks gewehrt. Für ihn ist "Biografie. Ein Spiel" so etwas wie die nachträgliche Analyse einer Schachpartie. Ihm geht es um die Frage, "ob und wie die Partie wohl anders zu führen gewesen wäre". Die Antwort darauf steht in den Schachregeln: Ein Bauer kann nicht zurück, aber die Dame darf in alle Richtungen ziehen – und ein Pferd kann sogar springen.


 

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