Der K.d.R.

Eine Ostergeschichte von Manfred Kyber

Der Käfer Balduin Brummsel und seine Frau Susummse Brummsel, die Biene Melitta Emsig, der Maulwurf Peter Plüsch und die Schnecke Patientia Eilig. So heißen die Figuren in den heiter-grotesken Tiergeschichten von Manfred Kyber (1880-1933). Der Schriftsteller und Tierfreund wurde in der lettischen Hauptstadt Riga geboren und lebte seit 1923 in der württembergischen Kleinstadt Löwenstein bei Heilbronn.

Meine Lieblingsgeschichte von Manfred Kyber trägt den Namen "Der K.d.R.": "Die Regenwürmer hatten einen Kongress einberufen. Es war ein moderner Kongress. Darum hieß er nicht Kongress der Regenwürmer, sondern der K.d.R. Der K.d.R. tagte im Garten an einer recht staubigen Stelle. Es wurden nur Fragen der Bodenkultur erörtert. Weiter geht der Horizont der Regenwürmer nicht".

Dann beschreibt Manfred Kyber das Leben der Regenwürmer, dessen einziger Sinn darin besteht, den Garten umzugraben und dabei die Erde aufzulockern. Um diese anstrengende Aufgabe bewältigen zu können, müssen sie sich immer wieder neue Methoden ausdenken, um ihren Körper in Form zu halten und die Muskeln zu stärken.

Ein aktuelles Fitness-Workout heißt "Ringle dich mit dem Strohhalm". Während ein junger Regenwurm diese Methode demonstriert, stößt er mit einem rauen haarigen Etwas zusammen. Da die Regenwürmer noch nie eine Raupe gesehen haben, gehen sie zunächst verschreckt auf Distanz. Doch dann kriechen sie vorsichtig wieder näher.

Die Raupe kann sprechen. Sie erzählt den Regenwürmern von ihrem bevorstehenden Tod und der anschließenden Auferstehung. Die Regenwürmer schenken ihr keinen Glauben. Sie erleben zwar noch den Tod der Raupe und ihre Verwandlung in eine Puppe. Doch den entscheidenden Augenblick verpassen sie: In der Frühe eines Morgens öffnet sich plötzlich die Hülle der Puppe. Ein kleiner bunter Falter kommt heraus. Er breitet seine Flügel aus und fliegt ins Sonnenlicht hinein. Die Glockenblumen läuten.

Doch unten im Staube, da tagt der K.d.R. Die Regenwürmer haben die leere Hülle gefunden. Sie ahnen nichts von dem großen bunten Schmetterling, der hoch über ihren blinden Köpfen schwebt. "Nun ist er ganz tot", sagen die Regenwürmer. "Er ist auferstanden", singen tausend Stimmen im Licht.


 

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