Die Zehn Gebote

Von Martin Luther zu Karl Barth

"Hört, Ihr Leut', und lasst euch sagen: / Unsre Glock' hat zehn geschlagen! / Zehn Gebote setzt Gott ein. / Gib, dass wir gehorsam sein!" Mit diesen Worten erinnert das sog. Nachtwächterlied an ein zentrales Dokument des jüdischen und zugleich des christlichen Glaubens, das sowohl in der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen als auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland seinen Niederschlag gefunden hat.

Bereits im Jahr 1529 stellte Martin Luther die Zehn Gebote an den Anfang seiner Lehrschrift "Der kleine Katechismus". Besonders einprägsam ist die gleichförmige Frage, die nach jedem Gebot gestellt wird: "Was ist das?". Luther antwortet darauf ebenso stereotyp: "Wir sollen Gott fürchten und lieben ..." Damit erinnert Luther bei der Auslegung jedes Gebots immer wieder an das erste, das für ihn das wichtigste ist, weil es alle anderen Gebote beinhaltet.

Der Kleine Katechismus findet sich im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 905. Daran schließt sich unter der Nummer 907 die "Theologische Erklärung von Barmen" aus dem Jahr 1934 an, die allerdings nicht von einem lutherischen, sondern von einem reformierten Theologen, nämlich von Karl Barth, stammt. Wie kommt diese "reformierte" Erklärung in ein lutherisches Gesangbuch? Barth hatte offensichtlich erkannt, dass der lutherische Katechismus nicht mehr ausreichte, um die Herausforderungen des 20. Jahrhunderts zu bewältigen.

Denn es gab wohl keine Zeit in der deutschen Geschichte, in der die Zehn Gebote so gering geachtet wurden, wie in der Zeit des Nationalsozialismus. Im Jahr 1943 schrieb der in die USA emigrierte deutsche Schriftsteller Thomas Mann in einem Beitrag für den Sammelband "The Ten Commandments": "Die Juden haben der Welt den universalen Gott und – in den Zehn Geboten – das Grundgesetz des Menschenanstandes gegeben. (...) Fluch dem Menschen, der da aufsteht und spricht: Sie gelten nicht mehr!".

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Zehn Gebote im 21. Jahrhundert – auch und gerade in Deutschland - mehr geachtet werden als im 20., und die Dankbarkeit gegenüber einem reformierten Theologen, der dem deutschen Luthertum, das vom Nationalsozialismus schwer beschädigt war, sein Gesicht zurückgegeben hat. Karl Barth hat das 1. Gebot, das Martin Luther so wichtig war, in Barmen völlig neu – und zwar christologisch – formuliert: "Jesus Christus ist das eine Wort Gottes".


 

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