Ich kann nicht

Leben ohne Gott

"Gottlos glücklich". So lautete das Motto einer Buskampagne, die im vergangenen Jahr für großes Aufsehen gesorgt hat. Drei Wochen lang rollte ein Doppeldeckerbus durch unser Land und verbreitete Botschaften wie "Ein erfülltes Leben braucht keinen Glauben", "Werte sind menschlich – auf uns kommt es an" und "Aufklärung heißt, Verantwortung zu übernehmen".

Ich bin dankbar für diese Kampagne, weil sie – ohne es zu wollen – die Frage nach Gott neu ins öffentliche Bewusstsein gerückt hat. Darin ist sie überzeugender als jede kirchliche Werbeaktion, weil sie nicht im Verdacht steht, ihre Mitglieder zu halten oder ihre Pfründe sichern zu wollen.

Ich bin dankbar für diese Kampagne, weil sie ein Ausdruck der Freiheit ist, die in unserem Land herrscht. Jeder hat das Recht zu glauben, was er will, aber genauso auch das Recht, nicht zu glauben. Ohne Toleranz kann sich der Glaube, so wie ich ihn verstehe, nicht entfalten.

Ich bin dankbar für diese Kampagne, weil sie bewusst gemacht hat, dass alle Menschen – unabhängig davon, ob sie glauben oder nicht - Werte haben, Mitgefühl zeigen und öffentliche Verantwortung übernehmen können.

Auch der Schweizer Pfarrer Kurt Marti (geb. 1921) kann dem Unglauben oder – besser gesagt – dem Nicht-Glauben positive Aspekte abgewinnen: "glücklich ihr atheisten! / ihr habt es leichter / euch wirbelt kein gott / aus der bahn des schlüssigen denkens / kein glaube wirft schatten / auf eure taghelle logik / nie stolpert ihr / über bizarre widersprüche / kein jenseits vernebelt euch / die konturen der welt / nie seid ihr berauscht / von heiligen hymnen und riten / nie schreit ihr vergeblich / nach einem göttlichen wunder / oder stürzt ab ins dunkel / blasphemischen betens / glücklich ihr atheisten! / gern wäre ich einer von euch / jedoch jedoch: ich kann nicht".

Das "Ich kann nicht" von Kurt Marti macht mir bewusst, dass das Nicht-Glauben doch nicht so leicht durchzuhalten ist, wie von den Initiatoren der Buskampagne angenommen. Wie sagt schon der englische Dichter Edward Young (1681-1765): "Nachts glaubt jeder Atheist halb an Gott". Und der russische Philosoph Nikolai Berdjajew (1874-1948) ergänzt beinahe resignierend: "Der Mensch ist eben doch unheilbar religiös".


 

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