Im Namen des Feuersalamanders

Politische Verantwortung übernehmen

Am Sonntag wird ein neuer Bundestag gewählt. Der Ausgang dieser Wahl ist völlig offen. Die bisherigen Umfragen machen eine Fortsetzung der Großen Koalition wahrscheinlich. Denkbar ist auch eine Schwarz-gelbe Koalition, aber nur wenn beide Partner noch ein wenig zulegen.

Die politische Landschaft in Deutschland hat sich in den letzten drei Jahrzehnten grundlegend verändert. Aus einem Drei- ist zunächst ein Vier- und dann ein Fünf-Parteien-System geworden. Diese neue Konstellation macht eine Regierungsbildung im Bund – wie schon in den Ländern – nicht einfacher.

Wahlentscheidend könnte jedoch eine sechste Gruppe sein, die "Partei der Nichtwähler". Denn die Beteiligung an den Bundestagswahlen hat in den letzten elf Jahren langsam aber stetig abgenommen. Eine schwache Wahlbeteiligung stärkt in der Regel die kleinen, leider auch die radikalen Parteien, die ihre Anhänger besser mobilisieren können als die großen.

Die Gründe für die allgemeine Politikverdrossenheit untersucht die Münchner Journalistin Beatrice von Weizsäcker (geb. 1958) in ihrem neuen Buch "Warum ich mich nicht für Politik interessiere". Darin bekennt die Tochter des früheren Bundespräsidenten, dass sie sich als Kind genauso wenig für die Arbeit des Vaters interessiert habe wie ihre drei Brüder.

Nur einmal habe es der Vater, der damals noch einfacher Bundestagsabgeordneter war, geschafft, das Interesse seiner Kinder zu wecken. Er versprach ihnen, in seiner nächsten Bundestagsrede ein Wort ihrer Wahl unterzubringen für den Fall, dass sie sich die Übertragung dieser Rede im Fernsehen ansehen. Und tatsächlich: Die Kinder saßen vor dem Fernseher, sie verfolgten die Rede ihres Vaters und jubelten laut, als das gewünschte Wort fiel: "Feuersalamander".

Zwanzig Jahre später hat Richard von Weizsäcker seine Kinder noch einmal beeindruckt: Am 8. Mai 1985 hielt er als Bundespräsident seine bis heute unvergessene Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. Darin bekannte er sich nicht nur zur historischen Schuld Deutschlands, sondern auch zur aktuellen Verantwortung seiner Bürger: Jeder kann durch seine Stimmabgabe dazu beitragen, dass nie wieder durch politisches Desinteresse radikale Kräfte an die Macht kommen.

Darum geht auch Beatrice von Weizsäcker zu Wahl. Im Namen des Feuersalamanders.


 

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