Ein Baum besiegt die Zeit

Der Ginkgo im Glacis

Im Herbst lädt der Diplom-Biologe Joachim G. Raftopoulo wieder zu seinen Führungen durch den Würzburger Ringpark, das Glacis, ein. Dabei bleibt er gerne vor einem Baum im Bereich von Klein Nizza stehen und trägt - gleichsam als Rätsel - das folgende Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe vor:

"Dieses Baumes Blatt, der von Osten / meinem Garten anvertraut, / gibt geheimen Sinn zu kosten, / wie's den Wissenden erbaut. / Ist es ein lebendig Wesen, / das sich in sich selbst getrennt? / Sind es zwei, die sich erlesen, / dass man sie als eines kennt? / Solche Frage zu erwidern, / fand ich wohl den rechten Sinn. / Fühlst du nicht an meinen Liedern, / dass ich eins und doppelt bin?".

Der Ginkgo ist der älteste lebende Baum, den es gibt. Er ist weder ein Laubbaum noch ein Nadelbaum, sondern ein Urwaldbaum, der nicht zufällig seinen Weg in unsere Zeit gefunden hat. Denn der Ginkgo ist weitgehend resistent gegen Frost und Hitze, Krankheiten und Schädlinge.

Wie fossile Blattfunde beweisen, hat es den Ginkgo früher auch in Europa gegeben. Doch er hat sich während der letzten Eiszeit nach China zurückgezogen. Dort wurde er im Jahre 1750 von dem deutschen Arzt Engelbert Kämpfer entdeckt und nach Utrecht in Holland gebracht. Heute gibt es den Ginkgo auch in Deutschland, vor allem in den Goethe-Städten Frankfurt und Weimar.

Der Ginkgo tritt sowohl in weiblicher und als auch in männlicher Gestalt auf. "Frau Ginkgo" bildet im Herbst Früchte, die wie Mirabellen aussehen und unangenehm riechen. Darum wird meist "Herr Ginkgo" angepflanzt. Der Extrakt aus Ginkgoblättern soll helfen gegen Kopfschmerzen, Ohrensausen, Schwindelgefühle und manche andere Beschwerden.

Eine besondere Bewährungsprobe hatte der Ginkgo am 6. August 1945 zu bestehen. An diesem Tag fiel die erste Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima. Der Ginkgo, der sich im Zentrum der Stadt befand, überlebte nicht nur, sondern er war der erste Baum, der wieder ausschlug. So ist der Ginkgo - in einer vom Menschen zerstörten Welt - zu einem Zeichen der Hoffnung geworden.


 

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