Der Hauptmann von Köpenick

Vom Sinn des Daseins

Am 16. Oktober jährt sich zum 100. Mal der Tag, an dem sich der vorbestrafte Schuster Wilhelm Voigt als Hauptmann ausgab, einen Polizeitrupp seinem Kommando unterstellte und mit diesem Trupp das Rathaus von Köpenick besetzte. Er ließ die Stadtkasse beschlagnahmen und den Bürgermeister verhaften. Dann erteilte er der Polizei den Befehl, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, und ergriff die Flucht. Zehn Tage später wurde er verhaftet und durch das Landgericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Doch Kaiser Wilhelm II., der über die "Köpenickiade" geschmunzelt haben soll, begnadigte ihn bereits nach zwei Jahren.

Im Jahr 1930 schrieb Carl Zuckmayer eine dreiaktige Tragikomödie mit dem Titel "Der Hauptmann von Köpenick. Ein deutsches Märchen", die im Jahr 1956 mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle in die deutschen Kinos kam. Der Film schildert die Ausweglosigkeit eines Mannes, der keine Arbeit bekommt, weil er keinen Pass hat, der keinen Pass erhält, weil er keine Bleibe hat, und der keine Bleibe findet, weil er keine Arbeit hat.

Doch Wilhelm Voigt kämpft im Film nicht nur für eine menschenwürdige Existenz in einem bürokratischen Staat, sondern er stellt zugleich die Grundfragen des menschlichen Daseins. So sagt er zu seinem Schwager, der ihm vorübergehend Unterschlupf gewährt hat: "Und denn, denn stehste vor Gott dem Vater, stehste, der allens geweckt hat, vor dem stehste denn, und der fragt dir ins Jesichte: Willem Voigt, wat haste jemacht mit dein Leben? Und da muss ick sagen – Fußmatte, muss ick sagen. Die hab ick jeflochten im Jefängnis, und denn sind se alle druff rumgetrampelt, muss ick sagen. Und Gott sagt zu dir: Jeh wech! Sagt er. Ausweisung! Sagt er. Dafür hab ich dir das Leben nich jeschenkt".

Auch der echte Wilhelm Voigt musste im Gefängnis Arbeiten verrichten, die ihm sinnlos erschienen. Doch bei seiner Entlassung erhielt er im Auftrag des Kaisers den ersehnten Pass.


 

 

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