Einzugsermächtigung

Wenn der Hausherr klingelt

Wie oft es geklingelt hatte, weiß ich nicht. Es war eine Tageszeit, die ich gewöhnlich noch als Nacht bezeichne, obwohl die Sonne bereits hoch am Himmel steht. Ich fuhr aus meinem Bett, zog eine Jalousie nach oben und schlüpfte in meinen Morgenmantel. Dann öffnete ich einen Spalt breit die Wohnungstür. Draußen stand ein gepflegter Herr mit einem blauen Sakko. "Guten Tag", sagte der Herr. "Schön, dass Sie doch noch öffnen. Als Hauseigentümer habe ich natürlich einen Schlüssel. Aber wie Sie wissen, verbietet mir das Mietrecht, in Ihre Wohnung einzudringen".

Bisher hatte ich mit dem Herrn des Hauses nur schriftlich oder telefonisch verkehrt. Darum ahnte ich, dass sein Besuch nichts Gutes zu bedeuten hatte. Denn ich hatte seit Monaten meine Miete nicht bezahlt. Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah ich, dass er nicht allein war. Hinter ihm stand ein weiterer Mann mit einem roten Hemd. "Ach ja", sagte der Hausherr, "das ist mein neuer Mitarbeiter. Er wird von vielen nur der gute Geist des Hauses genannt".

"Dürfen wir hereinkommen?", fragte der Hausherr. Seine Frage klang wie ein Befehl. "Ja natürlich", stotterte ich und öffnete die Tür ganz. Der Hausherr und sein Mitarbeiter traten ein und inspizierten die Wohnung. Sie sahen die schmutzige Wäsche, das nicht abgespülte Geschirr und den Schimmel an den Wänden. "Sie haben seit Wochen nicht mehr gelüftet", sagte der Hausherr streng. "Eigentlich müsste ich Ihnen sofort kündigen". Ich sah ihn erschrocken an. Der Hausherr fuhr fort: "Ich bin aber bereit, von einer Kündigung abzusehen und sogar Ihre Mietschulden zu erlassen, wenn Sie den folgenden Vertrag unterschreiben". Schon reichte er mir ein Formular. Darauf stand mit großen Buchstaben: "Einzugsermächtigung". Dann folgte das Kleingedruckte: "Hiermit ermächtige ich den guten Geist des Hauses, in meine Wohnung einzuziehen und mir beim Aufräumen zu helfen". Während ich mit zitternden Händen unterschrieb, sagte ich: "Sie benehmen sich ja so, als wären Sie der Allmächtige persönlich". "Ach ja", sagte er, "wenn Sie meinen".


 

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