Mir konnte keiner was

Ein Opa und sein Enkel

"Opas Engel", so heißt der Titel eines Bilderbuchs von Jutta Bauer, das in diesem Jahr mit dem katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden ist. Dieses Buch besteht nur aus wenigen einfachen Sätzen und enthält dafür eine Reihe von liebevoll gestalteten Aquarellen, die mich zum Schmunzeln, Nachdenken und Weinen angeregt haben.

"Junge, mir konnte keiner was", sagt der Großvater selbstbewusst, obwohl er völlig hilflos auf seinem Krankenbett liegt. Der Enkel sitzt auf der Bettkante, während der Opa aus seiner Kindheit erzählt: "Jeden Morgen lief ich über den großen Platz zur Schule. In der Mitte stand eine große Engelsstatue. Ich beachtete sie gar nicht. Ich hatte es eilig und mein Ränzel war schwer".

Darum bemerkt der kleine Opa auch gar nicht, dass sich von der Statue ein - nur schemenhaft angedeuteter - Schutzengel gelöst hat, der ihn von da an wie ein unsichtbarer Schatten begleitet. Dieser Engel bremst den Bus, vor den der ahnungslose Junge läuft. Er hält dem hinterlistigen Räuber die Augen zu und verschließt den gefährlichen Gänsen den Schnabel. Er begleitet den Großvater in allen Höhen und Tiefen seines noch jungen Lebens und gibt ihm das Gefühl, unbesiegbar zu sein: "Große Hunde zitterten vor mir".

Der Engel lenkt den Nazischergen ab, den der unbedachte Junge provoziert hat. Er weint mit ihm um seinen jüdischen Freund Josef, der plötzlich verschwunden ist. Er zieht mit ihm in den Krieg und breitet im Schützengraben seine Flügel über ihm aus. Nach dem Krieg hilft der Engel beim Wiederaufbau. Er ist dabei, als der Opa seine Frau kennen- und liebenlernt und eine Familie gründet.

"Ich hatte viel Glück", sagt der Opa zuletzt, ohne den Engel auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt zu haben. Dann schließt der Großvater für immer die Augen, während sich der Engel von ihm löst und seinem Enkel folgt.


 

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