Nachgedacht

Post vom Christkind

"Post vom Christkind". So dachte ich mir, als neulich ein Brief aus Himmelstadt auf meinem Schreibtisch lag. Doch es war der Rundbrief eines guten Freundes, der sich mit folgender Nachricht an mich und neun weitere Empfänger wandte: Irgendwo in England lebt ein kleiner Junge, der schwer erkrankt ist. Die Ärzte geben ihm nur noch wenige Monate zu leben. Darum bittet dieser Junge alle Menschen guten Willens, ihm einen Weihnachtswunsch zu erfüllen. Er möchte möglichst viele Karten aus der ganzen Welt bekommen und so ins Guinessbuch der Rekorde eingehen. Dann könne er beruhigt sterben.

Es mag überraschen: Aber ich habe den "letzten Wunsch" dieses Jungen nicht erfüllt. Ich habe vielmehr zum Handy gegriffen und meinen Freund in Himmelstadt angerufen. Dann habe ich ihm erzählt, was ich aus der Zeitung weiss: dass der englische Junge inzwischen ein junger Mann ist und seine Krankheit, Gott sei's gedankt, längst überwunden hat. Er steht bereits seit einigen Jahren im Buch der Rekorde. Aber der Kartensegen ist, Gott sei's geklagt, zu einem Fluch geworden. Denn immer noch treffen täglich ungezählte Karten aus der ganzen Welt bei ihm ein und verwandeln sein Elternhaus in ein unbeschreibliches Chaos. Alle Appelle des jungen Mannes und seiner Eltern, das Verschicken der Karten einzustellen, sind bisher ungehört verhallt. Aus einem Schneeball ist eine Lawine geworden.

Aus diesem Grund ist das "Schneeballsystem" in Deutschland nach § 286 des Strafgesetzbuches verboten. Kettenbriefe werden, wenn sie als solche erkennbar sind, nicht von der Post befördert. Wer dennoch gerne Briefe verschickt und noch dazu Kindern etwas Gutes tun möchte, kann die Idee einer Würzburger Lehrerin aufgreifen. Sie gibt am katholischen Gymnasium von Münsterschwarzach evangelischen Religionsunterricht und hat mit ihren Schülern ein überkonfessionelles Projekt entwickelt.

Dieses Projekt trägt den Namen PrayNet und soll anlässlich des Milleniums Kinder auf der ganzen Welt im Gebet vereinen. In der Ausschreibung heißt es: "Das Gebet eines Armen hält genauso wie das Gebet eines Reichen. Das Gebet eines Kindes hält genauso wie das Gebet eines Erwachsenen. In Gebeten haben alle Kinder etwas zu bieten und zu geben, sei es im Norden oder Süden, im Osten oder Westen". Jedes Kind kann mit einem anderen Kind irgendwo auf der Welt eine Gebetskarte und ein Stück Faden austauschen. An den Knotenpunkten Schule und Kirche werden die Karten gesammelt und die Fäden miteinander verknüpft. So entsteht das Millenium Prayer. Das Gebet, das die Welt umspannt.


 

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