Im Schatten eines Baumes

Konfirmation am Weißen Sonntag

Am heutigen Weißen Sonntag wird in vielen katholischen Kirchen das Fest der Erstkommunion gefeiert. Die Protestanten nennen diesen Sonntag "Quasimodogeniti". Sie wollen damit nicht an den buckligen Glöckner von Notre Dame erinnern, der sich in die schöne Esmeralda verliebt, sondern an die "neugeborenen Kinder", die in ihrer Unschuld ein Vorbild für jeden Glaubenden sind.

Nicht ganz so unschuldig war ich, als ich vor vielen Jahren an einem Weißen Sonntag das Fest meiner Konfirmation feierte. Ganz im Gegenteil: Meine Gedanken kreisten nicht um den festlichen Anlass, sondern um eine hübsche Mitkonfirmandin. Außerdem hatte ich zusammen mit anderen Konfirmanden die Altarkerzen erwärmt und - einem Spazierstock gleich - nach unten gebogen, sodass sie der bucklige Mesner nicht entzünden konnte.

Trotz dieses Lausbubenstreiches war mir der Ernst des Anlasses durchaus bewusst. Mir ging es an der Konfirmation nicht nur um ein gutes Essen und viele Geschenke, sondern auch um eine Bestätigung meines Kinderglaubens, der schon damals mancherlei Zweifeln ausgesetzt war. Es gelang dem Pfarrer, durch eine packende Predigt meine Gedanken zu sammeln und auf das Evangelium des Sonntags Quasimodogeniti zu lenken. Dieses Evangelium handelt von Thomas, einem Mann des Glaubens, der seine Zweifel nie ganz abschütteln konnte. "Der Zweifel", sagte der Pfarrer, "folgt dem Glauben wie ein Schatten". Dann erzählte er die folgende Geschichte:

Es war einmal ein Junge, der versuchte seinen Schatten loszuwerden. Er lief durch einen Park, so schnell er konnte. Aber der Schatten ließ sich nicht abschütteln. Dann wälzte er sich auf dem Boden, aber der Schatten blieb. Schließlich nahm er einen Stock und prügelte auf den Schatten ein - doch vergeblich.

Ein alter weiser Mann saß auf einer Bank. Er hatte den Jungen die ganze Zeit beobachtet. "Du willst deinen Schatten loswerden?", fragte er. "Ja", sagte der Junge. "Was soll ich bloß tun?".

Da streckte Mann seine Hand aus und zeigte auf einen großen Baum. "Stell dich einfach unter den Schatten dieses Baumes", sagte er. "Dann ist dein Schatten aufgehoben".

Diese Geschichte ist für mich zu einem Schlüssel zum Verständnis meines Lebens geworden: Ich glaube, aber ich kann meine Zweifel nie ganz abschütteln. Ich kann mich nur immer wieder unter den Schatten des großen Baumes stellen, den wir Gott nennen.


 

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