Umsonst und draußen

Nachtmusik auf dem Schützenhof

Es war einmal ein Mann, der hatte einen Esel. Dieser Esel hatte viele Jahre lang Säcke zur Mühle getragen. Aber nun gingen seine Kräfte zu Ende, und sein Herr wollte ihn weggeben. Als der Esel das merkte, machte er sich heimlich aus dem Staube. Denn er dachte sich: "Ich kann zwar nicht mehr arbeiten. Aber ich kann immer noch Musik machen".

Auf seiner Flucht traf er einen Hund, der saß am Wegesrand und heulte ganz erbärmlich. "Was ist denn mit dir los?", fragte der Esel besorgt. "Ach", klagte der Hund, "ich bin alt und schwach. Darum darf ich mit meinem Herrn nicht mehr auf die Jagd gehen". "Komm mit mir", sagte der Esel. "Lass uns gemeinsam musizieren".

Der Esel und der Hund gingen gemeinsam weiter und trafen eine Katze, die machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. "Was ist denn mit dir los?", fragte der Esel. Da jammerte die Katze: "Ich bin krank geworden. Darum will mich meine Herrin loswerden". "Komm mit uns", sagte der Esel. "Du kennst doch die kleine Nachtmusik".

Da gingen die drei gemeinsam weiter. Schließlich kamen sie zu einem Hof. Da saß ein Hahn auf dem Tor und krähte aus vollem Halse. "Was ist denn mit dir los?", fragte der Esel. Da seufzte der Hahn: "Morgen ist Sonntag. Da soll es Hühnersuppe geben". "Komm mit uns", sagte der Esel. "Etwas besseres als den Tod findest du immer".

Das ist die Geschichte von den "Bremer Stadtmusikanten", wie sie von den Gebrüdern Grimm erzählt wird. Was die Gebrüder Grimm verschwiegen haben, ist folgendes: Der Esel, der Hund, die Katze und der Hahn leben noch immer - und zwar auf dem Würzburger Schützenhof. Und sie machen noch immer gemeinsam Musik. An warmen Sommerabenden sitze ich oft auf der Terrasse des Schützenhofs und höre ihnen zu.

Neulich traf ich dabei einen Bekannten, der mir von seinen Sorgen und Nöten erzählt hat. Ich habe gar nicht versucht, seine Probleme zu lösen, sondern habe ihn nur gefragt: "Kannst du eigentlich singen oder Gitarre spielen oder Klavier? Dann lass uns gemeinsam musizieren!". Als er dann sagte "Mein Leben hat sowieso keinen Sinn mehr", habe ich nur geantwortet: "Etwas besseres als den Tod findest du immer".


 

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